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Weiße Fußspuren erzählen vom Leid

PROJEKT Gestern wurde die Ausstellung „Eine Blume namens Heimat“ in der Aula des TGG eröffnet

Schüler des Gymnasiums widmeten sich der Geschichte jüdischen Lebens in Leer. Hauptquelle waren die Zeugenberichte von Karl Polak.

Von Grit Mühring

Claudia Lax (rechts) und Mareike Bruns vor einem der Exponate

Das Plakat zeigt (von links) die Brüder Karl und Walter Polak. Mit Hilfe schriftlicher Quellen haben die Schüler des Seminarfachs und der AG „Eine Blume namens Heimat“ von Claudia Lax (rechts) den Lebensweg von Karl Polak dokumentiert. Mareike Bruns (links) beschäftigte sich mit der missglückten Flucht von Karl Polak aus Deutschland.

LEER - Seit sie sich intensiv mit der Geschichte jüdischen Lebens in Leer beschäftigt habe, gehe sie mit einem anderen Gefühl durch die Stadt, sagt Mareike Bruns, Schülerin des Teletta-Groß-Gymnasiums (TGG). Und genau das war das Ziel, das Claudia Lax, Geschichts- und Englischlehrerin am TGG, mit der AG und dem Seminarfach „Eine Blume namens Heimat“ erreichen wollte: „Sicherlich sollten die Schüler lernen, schriftliche und mündliche Quellen auszuwerten. Doch dahinter stand die Idee, dass sie sich durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte ihrer Heimat stärker mit ihr identifizieren und auch bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen.“

Nach zwei Jahren Arbeit in der AG mit Schülern der 6. bis 9. Klasse und einem halben Jahr der Vorbereitung im Seminarfach (Oberstufe) konnte gestern in der Aula des TGG die Ausstellung „Eine Blume namens Heimat“ eröffnet werden. In ihr präsentieren die Schüler Exponate zur Spurensuche nach ehemaligen jüdischen Bewohnern in Leer. Die Ausstellung fand in Zusammenarbeit mit Menna Hensmann vom Stadtarchiv Leer statt. Stellvertretend für mehr als 300 Bürger, die bis zum Nationalsozialismus in der Stadt lebten, werden die Schicksale von Karl Polak und Liesel Aussen erzählt. „Karl Polak ist der Einzige, von dem uns schriftliche Quellen über sein Leben in Leer vor seiner Zeit und auch nach seiner Zeit in Auschwitz vorliegen“, so Lax. Betritt der Besucher die Aula, so erstrecken sich vor ihm auf dem schwarzen Fußboden weiße Fußabdrücke. Dicht beieinander führen sie entlang der Exponate, die das Leben Polaks dokumentieren. Beim Bild der Synagoge und dem Hinweis auf die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verlaufen sich die Spuren. „Wir wollten nicht nur Orientierung bieten, sondern auch zeigen, dass das Leben von Karl Polak bis zu dieser Nacht in geregelten Bahnen verlief, danach aber vollkommen auseinandergerissen wurde“, erklärt Lax. Ein kleinerer Bereich der Ausstellung widmet sich Liesel Aussen, die mit nur sieben Jahren im Konzentrationslager Sobibor ermordet wurde.

„Die Schüler haben sich mit dem schwierigen Thema auf ganz unterschiedliche Weise auseinandergesetzt“, sagt Lax. So zeigt ein Gemälde der Schülerin Hanna Waldmann das Grauen, das Polak erfahren hat, als er Zeuge der Todesmärsche von Auschwitz wurde. Der Schüler Jannes Vogt komponierte ein Musikstück, das mit dem Glockenspiel des Leeraner Rathauses, Zuggeräuschen, dem Knistern von loderndem Feuer und Schreien unterlegt ist.

Die Dokumentation ist bis zum 23. November für alle Klassen des TGG geöffnet. Im Mai 2011 plant die Stadt Leer eine jüdische Woche. Dann haben Interessierte die Möglichkeit, die Ausstellung im Rathaus zu besuchen.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 10. November 2010, S. 18 / Foto: Mühring

2010-11-22, jb