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Die vielen Gesichter des jüdischen Lebens

KULTUR Stadt eröffnet zweite Jüdische Woche / Schüler haben Ausstellung im Rathaus konzipiert

Bürgermeister Wolfgang Kellner hob die besondere Bedeutung der Veranstaltung hervor. Auch heute noch werde gegen Ausländer gehetzt.

Von Edgar Behrendt

Foto von Ari Eisel bei der Ausstellungseröffnung

Ari Eisel von der Jüdischen Gemeinde in Oldenburg sprach zu den Gästen der Ausstellungseröffnung.

LEER - Mit der Eröffnung einer Ausstellung über die gut 300 Jahre lange Geschichte der jüdischen Gemeinde in der Stadt ist am Montagabend die Jüdische Woche in Leer eingeleitet worden.

Da es leider nicht mehr möglich sei, vor allem jungen Menschen eine lebendige jüdische Kultur vor Augen zu führen, sei es wichtig, eine Plattform der Begegnung zu schaffen, erläuterte Bürgermeister Wolfgang Kellner den Sinn der Jüdischen Woche. Er erinnerte unter anderem an das Ende der jüdischen Gemeinde während des Nationalsozialismus’. In der Kristallnacht im November 1938 hatten der damalige Bürgermeister Drescher und SA-Männer die Synagoge in der Heisfelder Straße niedergebrannt. „Das waren keine Dämonen, die vom Mars eingeflogen waren, sondern Leeraner und Leeranerinnen“, sagte das Stadtoberhaupt.

Erst kürzlich habe er sich Originaldokumente von damals angeschaut und nachgelesen, „dass die Feuerwehr die Anweisung hatte, nur einzugreifen, wenn das Eigentum von Ariern gefährdet ist“, so Kellner. Die Jüdische Woche leiste einen Beitrag, um „junge Menschen zu bestärken, so etwas nicht wieder mitzumachen“. Vor wenigen Wochen erst sei in Leer wieder „gegen Türken und Zigeuner gehetzt worden“, spielte Kellner auf Äußerungen von Gerd Koch an. Der AWG-Ratsherr hatte erklärt, dass der Sport auf solche Vereine wie Kickers Leer – einem Club mit vielen Ausländern – verzichten könne.

Ari Eisel von der Jüdischen Gemeinde Oldenburg lobte die Aktivitäten der Stadt Leer. Seine Hoffnung: Es möge gelingen, Bürger auf die Religion neugierig zu machen und Schwellenängste gegenüber dem Judentum abzubauen. „Das jüdische Leben hat viele Gesichter“, so Eisel. Die Ausstellung trage dazu bei, „Alltagswissen selbstkritisch in Frage zu stellen, überlieferte Stereotype zu überdenken und zu überwinden“.

Höhepunkt der Ausstellungseröffnung war eine Lesung von Autor Lutz van Dijk aus seinem Buch „Die Geschichte der Juden“. Dabei ging es um seine erste Begegnung als 17-Jähriger Anfang der 70er Jahre mit einer Jüdin in Amerika – mit Mrs. Goldbluhm, die den Holocaust überlebt hatte. Für ihn überraschend habe sie das Gespräch mit ihm gesucht, woraufhin er ihr die Frage stellte, ob sie ihn nicht hasse. Mrs. Goldbluhm verneinte. Sie habe sich noch einmal mit jemandem in ihrer Muttersprache unterhalten wollen, der nach dem Weltkrieg geboren sei. Kurz darauf sei sie gestorben.

Die Ausstellung

Foto von Claudia Lax und ihren Schülern

Lehrerin Claudia Lax (2. v. r.) sowie die TGG-Schüler (von links) Berend Heyken, Anna Graß, Jakob Kayser und Nemo Janssen haben einen Teil der Ausstellung konzipiert.

Zusätzlich zu einer Ausstellung durch die Stadt Leer haben Schüler des Teletta-Groß-Gymnasiums (TGG) in Leer die Extra-Ausstellung „Kinder der israelitischen Schule und deren Schicksale“ zusammengestellt. Beide Ausstellungen sind bis zum 31. Dezember im Rathaus-Altbau zu sehen.

Jahrgangsübergreifend vom sechsten bis zum elften Schuljahr haben Schüler die Ausstellung gemeinsam mit ihrer Lehrerin Claudia Lax konzipiert.

Anhand von Originaldokumenten aus Archiven und Privatsammlungen der Nachkommen haben die Schüler Schicksale von jüdischen Schülern nachgezeichnet, die damals die jüdische Schule in der Ubbo-Emmius Straße – der künftigen Gedenkstätte – besucht hatten.

Zum Programm der Jüdischen Woche gehört unter anderem das Theaterstück „Kafka – oder Das Zögern vor der Geburt“ am morgigen Donnerstag um 20 Uhr in der Stadtbibliothek, Karten unter Telefon: 04 91/92 53 20.

Ein Shabbat-Konzert mit dem Titel „Eine Reise durch die Vielfalt der jüdischen kantoralen und volkstümlichen Musik“ beginnt am Freitag um 20 Uhr im Rathaus. Am Sonnabend um 20 Uhr folgt ein Konzert „Liebesgeflüster“ mit Elija Avital im Rathaus-Festsaal.

Bei der Jüdischen Woche wird die Stadt auch unterstützt von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und von der VHS Leer.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 29. Mai 2013, S. 17 / Fotos: Wolters, Behrendt (Kasten)

2013-05-29,