Zum Inhalt springen

Siehe auch

Sie sind hier: Startseite > Archiv > 2006/07 2. Halbjahr > Verabschiedungsrede 2007

Rede zur Verabschiedung des
Abiturjahrganges 2007

Sehr geehrter Herr Landrat Bramlage,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Schachner,
sehr geehrte Goldene Abiturientinnen,
liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
sehr geehrte Eltern und Gäste,
sehr geehrter Herr Visser,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor knapp sieben Jahren saßen viele von Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, und ich zum ersten Mal hier zusammen in der Aula. Wir waren gespannt und voller Erwartung: Sie haben sich vermutlich gefragt, wie es an der neuen Schule sein werde, ich war neugierig auf meine neue Klasse 7g. Nachdem sich meine Schüler bei mir eingefunden hatten, zogen wir gemeinsam in den Raum B 22, wo wir uns gegenseitig vorstellten und anfingen, die Geheimnisse des TGGs zu entschlüsseln.

Seit diesem Tag hat mich Ihr Jahrgang nicht mehr losgelassen: Es verging kein Schuljahr, an dem ich nicht bei Ihnen – sei es als Klassenlehrerin, Fachlehrerin oder Tutorin – unterrichtet hätte. Vor allem haben wir zusammen viel Zeit in das Fach Latein investiert – vom ersten lateinischen Satz „Ave, Caesar!“ populus clamat bis hin zur Lektüre der Autoren Ovid, Cicero und Livius im Leistungskurs. Wir haben uns durch die Niederungen der lateinischen Grammatik gearbeitet, um einen Zugang zu erhalten zum Leben und Denken der Antike. „Historische Kommunikation“ nennen die Fachleute dieses Ziel des Lateinunterrichts.

Ein wenig historische Kommunikation mit der lateinischen Antike möchte ich nun mit Ihnen allen betreiben – ohne dass allerdings Lateinkenntnisse notwendig sind!

Zusammen mit Ihnen möchte ich das Schulwesen bei den Römern in den Blick nehmen. Möglicherweise fragt sich jetzt manch einer von Ihnen: Muss das sein? Eine Phase des Lebens bedenken, die man glücklich hinter sich gebracht hat? Ich meine: Es muss nicht sein, aber es ist sinnvoll, an einem entscheidenden Punkt im Leben innezuhalten, zurückzublicken und seinen eigenen Standpunkt zu bedenken – um dann die nächsten Schritte in die Zukunft tun zu können.

Zurück zu den Römern: Ihr Schulwesen umfasste drei verschiedene Schulstufen:

Soweit mein Überblick über die Schule im Alten Rom. An kritischen Stimmen hat es schon damals übrigens nicht gefehlt: So schreibt der römische Philosoph Seneca im ersten Jahrhundert nach Christus: Latrunculis ludimus – „Mit Steinchen spielen wir“. Mit überflüssigen Fragestellungen nutzt man den Scharfsinn ab: nicht „gut“ macht derlei, sondern „gebildet“ … wir verzetteln ins Überflüssige – wie das Übrige, so die Philosophie selbst. Wie in allen Dingen, so auch in der Wissenschaft leiden wir an Maßlosigkeit: „nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir“ – non vitae, sed scholae discimus (epist. 106, 11f.).

Vor dem Hintergrund der Gepflogenheiten in den Schulen Roms, die uns sehr fremd vorkommen, mutet diese Aussage erstaunlich aktuell an. Jeder und jede einzelne von uns dürfte spontan Dinge nennen können, die in der Schule als überflüssig, abstumpfend und maßlos empfunden wurden. (Diesen Kennzeichen von Schule hat übrigens Loriot in seiner „Jodelschule“ ein kleines Denkmal gesetzt.)

Diese knappen Überlegungen scheinen es nun doch nahezulegen, die Schule als hoffnungsloser Fall zu betrachten – und zwar über Jahrhunderte hin! – und die eigene Schulzeit möglichst bald und möglichst gründlich ad acta zu legen. Ich möchte aber bei dieser Bestandsaufnahme nicht stehen bleiben. Stattdessen möchte ich mich der Frage zuwenden, welches Ziel die Schule jeweils ins Auge gefasst hat.

Im Alten Rom sollte die schulische Ausbildung dem jungen Mann den Eintritt in die politische Laufbahn ermöglichen. Um jedoch ein politisches Amt übernehmen zu können, musste man sich als Anwalt in Prozessen einen Namen gemacht und eine Anhängerschaft um sich geschart haben. Getreu den Sitten und Gebräuchen der Vorfahren, dem mos maiorum, galt es für einen Römer als Pflicht, sich tatkräftig für den Staat zu engagieren. Dieser Einsatz für den Staat, die res publica, verschaffte dem einzelnen und auch dem Familienverband, dem er entstammte, Ruhm und Ansehen.

Vergleichen wir diese Vorstellungen mit unserer Gegenwart, werden deutliche Unterschiede sichtbar. Ich greife nur die folgenden heraus:

In der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Zielsetzungen werden die Schwerpunkte deutlich, die unsere Gegenwart kennzeichnen. Werfen wir nun abschließend unter den eben erwähnten Stichworten „Persönlichkeitsentfaltung in sozialer Verantwortung“ einen Blick auf die Zeit, die hinter Ihnen liegt. Ich hoffe, dass Sie nach diesem Rückblick nicht mit Seneca sagen müssen latrunculis lusimus – „wir haben mit Steinchen gespielt“, sondern entdecken können, dass das eine oder andere Ziel tatsächlich erreicht wurde!

Wir Kolleginnen und Kollegen vom TGG hoffen, dass wir Ihnen bei einigen Grabungen behilflich sein konnten, dass wir beispielsweise mit Ihnen zusammen das Gebiet sondieren konnten, in dem Schätze zu finden sind. Wie wünschen Ihnen bei den künftigen Grabungen viel Erfolg und Freude! Und sollte sich ein Unternehmen als Fehlbohrung herausstellen, lassen Sie sich bitte nicht entmutigen, sondern setzen Sie tatkräftig den Spaten an anderer Stelle an!

Wir wünschen Ihnen alles Gute!

Ursula Wingert

2006-07-04, sh