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Rede zur Verabschiedung des
Abiturjahrganges 2009

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ganz besonders begrüße ich Sie, stolze Abiturientinnen und Abiturienten,

beginnen möchte ich diesen Vortrag mit einem Zitat von Mark Twain:
Eine Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende, und beide sollten möglichst dicht beieinander liegen.

Also machen wir einen guten Anfang: Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen möchte ich Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, Glückwünsche aussprechen für das Bestehen der allgemeinen Hochschulreife.

Wie komme ich dazu, für diesen Jahrgang einen Vortrag zu halten? Hierzu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen.

Es ist der 16. April 2004, mein erster Schultag am TGG als Feuerwehrlehrkraft. Ich betrete den Klassenraum der 8d.
Mein Blick fällt auf zwei Füße, die auf dem Tisch liegen. Es herrscht allgemeine Unruhe. Ein Schüler geht über die Tische zu seinem Platz. Allgemeines Desinteresse (oder auch heimliche Neugierde) weht mir entgegen. Wie wird wohl der Neue auf uns reagieren, hat da so manch ein Schüler gedacht.
Vier Wochen – oder waren es vier Jahre? Es war jedenfalls eine Ewigkeit – hatte ich Vertretung in dieser Klasse. Der Unterricht bestand zu 80% aus Störungen und immer wieder um Ruhe bitten. Wohl bemerkt, ich berichte hier vom Gymnasium.
Dann war es vorbei, und ich hoffte, nie wieder etwas von dieser Klasse zu hören. War das Schule? Hatte ich die richtige Entscheidung getroffen, Lehrer zu werden?
Für das neue Schuljahr wurde ich Klassenlehrer, und raten Sie, in welcher Klasse: 9d.

Aber nach zähem Ringen hat sich dann ein Verhältnis und, wie ich meine, eine Klassengemeinschaft aufgebaut. Ich fühlte mich verantwortlich für meine Schüler, und dafür war ich auch bereit, mir einen Zeh zu spalten.

Unter anderem kam auch die 9a in den Genuss der Algebra, und der 9f konnte ich die Weisheiten der Physik näher bringen.

Ich verdanke diesem Jahrgang einen guten Einstieg und konnte an diesem Jahrgang meine ersten Schritte im Lehrerberuf üben.
Seither sind ein paar Jahre ins Land gegangen, und aus den jungen Wilden wurden stattliche junge Erwachsene. Ich danke Ihnen für den Start, den Sie mir ins Berufsleben beschert haben.

Jetzt steht Ihnen, liebe Abiturienten, ein Start ins Berufsleben oder ins Studium bevor.

Aber kommen wir noch einmal zurück zu dem Lebensabschnitt, den Sie jetzt beendet haben. Zu welcher Leistung haben wir Ihnen heute eigentlich gratuliert? Was ist das eigentlich, das Abitur?
Sie haben keinen Rentenanspruch erworben. Auch steht Ihnen bei all der Arbeit der letzten Wochen kein Arbeitslosengeld zu, wenn Sie keinen Studienplatz bekommen oder keine Lehrstelle finden.
Das Abitur ist lediglich eine Graduierung. Sie haben eine Berechtigung erworben. Sie dürfen jetzt die Hochschule besuchen. Sie haben Zeugnis darüber abgelegt, dass Sie Anforderungen dieser Tragweite und diesen Umfangs unter Berücksichtigung ihres Wissens gewachsen sind.
Das Alles sagt aber nichts über Ihre Lebenstauglichkeit aus!

Die Schule war bisher ein behütetes Umfeld mit einem klaren Rahmen. Sie alle stehen jetzt vor der Aufgabe, Ihren weiteren Lebensweg zu planen, der entweder mit einem Beruf wieder einen engeren Rahmen in einem Betrieb bekommt oder aber in einem Studium mit vielen Freiheiten und einem ungewissen Ausgang. Das ist der eigentliche Gewinn ihrer Leistung, die Sie erbracht haben, ihres Erfolges, den Sie jetzt feiern dürfen. Sie haben sich die Möglichkeit geschaffen für eine große Auswahl Ihr Leben zu gestalten. Ich wünsche Ihnen allen dazu ein gutes Händchen und viele nette Menschen, die Ihnen mit Rat und Unterstützung zur Seite stehen. Dazu gehören auch Ihre Eltern und Verwandten oder Freunde, die Sie bis hierher begleitet haben.

Wenn Sie jetzt Ihre nächsten Schritte im Leben gehen, hören Sie in sich hinein. Denken Sie nicht darüber nach, was Sie alles nicht können, sondern wo Ihre Stärken und Ihre Fähigkeiten liegen. In den Zeiten meiner Tätigkeit in der Industrie ist mir immer wieder ein Phänomen aufgefallen, wie unsicher junge Menschen wurden, wenn man sie nach ihren Fähigkeiten oder Stärken befragte. Für mich als Quereinsteiger in diesen Beruf ist das ein Zeichen dafür, dass wir Lehrer so etwas anscheinend in der Schulzeit nicht aus Ihnen herauskitzeln. Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen müssen Sie scheinbar in der Schule selbst mitbringen.

Und nicht dass ich hier falsch verstanden werde. Es geht hierbei nicht um freches Auftreten, rücksichtsloses Verhalten, verbale Entgleisungen oder egoistisches Sich-in-den-Vordergrund-spielen.

Ich meine, sich selbst vertrauen und sich seiner selbst bewusst sein.

Nutzen Sie den Erfolg, den Sie heute bei der Verabschiedung spüren, und gehen Sie Ihre nächsten Schritte im Leben selbstbewusst und voller Selbstvertrauen. Sie können aufgrund Ihrer erbrachten Leistung stolz auf sich sein.

Ihnen stehen an dieser Stelle des Lebens, möchte ich behaupten, die meisten Türen offen, um Ihren Lebensweg zu beschreiten, die jemals auf einem Lebensabschnitt wieder offen stehen. Manche Türen sind schon zugefallen (Musiker), andere werden zufallen, wenn Sie eine Wahl des Weges getroffen haben. Andere werden sich erst auftun dadurch, dass Sie eine Wahl getroffen haben. Gehen Sie selbstbewusst und scheuen Sie nicht, ein paar Schritte zurück zu gehen, wenn Sie merken: es ist ein falscher Weg. Seien Sie nicht irritiert, wenn dieser Weg auch einmal steinig ist. Wenn Ihnen Ihr bisheriger Weg nicht steinig vorkam, waren es bisher meistens Ihre Eltern, die die Steine beiseite geräumt haben.

Trauen Sie sich auf Ihren weiteren Lebensweg! Wagen Sie sich hinaus! Sie sind jung. Und es gibt so viel zu entdecken.

1908 wollte der oberste Verwalter des Münchner Patentamtes das Amt schließen, weil es nach seiner Auffassung nichts mehr zu erfinden gäbe, da schon alles erfunden worden sei. Das ist Ironie der Geschichte.

Seien Sie also neugierig, Neues zu entdecken. Sie haben dazu viel Handwerkszeug mitbekommen:

Nutzen Sie Ihr jeweiliges Potential. Ich bin gespannt darauf, wie Sie die Welt gestalten.

Eine Bitte habe ich noch.
Vergessen Sie Ihre Wurzeln nicht. Ich glaube, Schule lebt auch von Erinnerungen. Wenn Sie heute Abschied nehmen von den Lehrern und den Mitschülerinnen und Schulkameraden, dann wäre es doch auch für die Schule schön, wenn wir wüssten, was aus Ihnen wird, was Ihnen genutzt hat und was Ihnen gefehlt hat. Ihrer Abizeitung konnte man auch Kritik entnehmen. Eine Schule kann sich nur bessern, wenn Sie Hinweise geben. Herr Bode weiß noch nichts davon, aber es wird auf der Homepage ein Ehemaligenportal geben. Bleiben Sie mit uns verbunden. Vergessen Sie das TGG nicht.

Und hiermit endet meine doch nicht so kurzweilige Betrachtung, und ich möchte Ihnen zusammenfassend Folgendes mit auf den Weg geben:

Seien Sie neugierig auf das Leben, schauen Sie ganz bewusst auch nach rechts und nach links, helfen Sie denen, die Hilfe brauchen, entschleunigen Sie Ihr Leben, wenn es zu rennen beginnt, nehmen Sie sich Zeit, auch für Unwichtiges, und seien Sie fruchtbar und mehren Sie sich, Sie waren ein guter Jahrgang.

Vielen Dank.

Klaus Ibbeken

2009-07-18,