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Von Edgar Behrendt
Bürgermeisterin Beatrix Kuhl (am Pult) hielt eine Rede, TGG-Schüler (rechts von ihr) lasen anschließend die Namen von rund 300 jüdischen Bürgern aus Leer vor, die im Holocaust den Tod gefunden hatten.
Albrecht Weinberg war einer der Gäste.
In der Baptistenkirche fand ein Gedenkgottesdienst statt.
LEER - Mehr als 100 Leeraner haben gestern Abend der Pogromnacht von 1938 gedacht. Zunächst wurde in der Baptistenkirche ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert, zu dem die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eingeladen hatten. Im Anschluss daran hielt Bürgermeisterin Beatrix Kuhl (CDU) eine Rede an der Synagogen-Gedenkstätte. Elf Schüler des Teletta-Groß-Gymnasiums verlasen dort rund 300 Namen von Leeraner Juden, die unter der Nazi-Herrschaft den Tod gefunden hatten.
Kuhl, die einen Kranz niederlegte, begrüßte unter anderem den gebürtigen Rhauderfehner Albrecht Weinberg. Der Jude hatte den Holocaust überlebt und war nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert. 2012 war er mit seiner mittlerweile verstorbenen Schwester Friedel nach Deutschland zurückgekehrt. Heute lebt der 90-Jährige in einem Altenheim in Leer. Für Albrecht Weinberg sei dieser Tag vielleicht wie jeder andere. „Denn Ihr persönliches Gedenken findet täglich, stündlich statt“, sagte Kuhl. Seine Eltern seien ermordet worden, ebenso wie seine Familie. Er selbst und seine Geschwister seien mit Erlebnissen aufgewachsen, „die sich zu Bildern geformt haben, die ihn nie wieder losließen“.
In der Stadt Leer war in der Pogromnacht vor 77 Jahren die Synagoge an der Heisfelder Straße in Brand gesteckt worden. Juden wurden zum Viehhof getrieben. Während Frauen und Kinder am Morgen danach in ihre geplünderten und zum Teil zerstörten Häuser zurückkehren konnten, wurden die Männer über Oldenburg ins KZ Sachsenhausen gebracht.
Kuhl sprach von „Freunden, Bekannten, Kollegen, Nachbarn und Spielkameraden“, die ermordet wurden. Die jüdische Bevölkerung sei seit langer Zeit in Leer angesiedelt gewesen. Sie hatte sich integriert „und lebte friedlich mit den Menschen anderer Religionen zusammen“, so die Bürgermeisterin.
Was in der Pogromnacht geschehen sei, „ist grausam und unmenschlich“, sagte Kuhl. Das sei mit dem Versuch der systematischen Vernichtung noch überboten worden. Die Juden seien aufgrund ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit getötet worden. So etwas dürfe nie wieder geschehen und niemals in Vergessenheit geraten.
Ostfriesen-Zeitung vom 10. November 2015, S. 18 / Fotos: Wolters
2015-11-17, bo