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Lernen lernen: Flop oder Chance?

Von Barbara Hallerbach (1999)

Vor drei Jahren riefen mehrere Kolleg/innen das Projekt „Lernen lernen“ ins Leben, ein Projekt, das den Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 7 Lerntechniken verdeutlichen sollten. Im Schuljahr 1997/98 unternahmen dann alle 7. Klassen Ende Januar und im Schuljahr 98/99 im November 98 eine Reise in die Welt des Lernens.

Warum dieses Projekt? „Lernen“ wird von Eltern und Lehrern gleichermaßen gefordert. „Was“ gelernt werden soll, also die fachlichen Inhalte im kognitiven und nichtkognitiven Bereich sind durch das Kultusministerium festgelegt worden. „Wie“ gelernt werden soll, ist nirgendwo festgelegt worden, sondern eher dem Zufall überlassen. Dieses Defizit sollte ausgeglichen und die Lernvoraussetzungen für alle Schülerinnen und Schüler angeglichen werden.

In den ersten Monaten nach Übernahme der Klassenleitung beobachteten die beteiligten Kolleg/innen unsere Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der Hausaufgaben, der Vorbereitung der Klassenarbeiten und die Beteiligung am Unterricht. Diskussionen in den Klassenkollegien über die Situation der Klassenstruktur, die Gruppenentwicklung und die anfängliche Leistungsentwicklung der Schüler/innen führte zu den gesuchten Schwerpunkten der Projekteinheiten.

Die Einheiten sollten folgende Inhalte bekommen: Informationen über Lernkanäle und Gedächtnisarten, verschiedene Lernhilfen zum Auswendiglernen und Behalten (z. B. von Vokabeln), Planung der Lernzeit und Vorbereitung einer Klassenarbeit einschIießlich Erstellung eines Spickzettels, Bedeutung der mündlichen Mitarbeit. Die Inhalte wurden so miteinander verknüpft, dass die Reihenfolge der Einheiten austauschbar war. Das methodische Vorgehen entsprach dem Kerngedanken aller Einheiten: MIT ALLEN SINNEN LERNEN. Günstige äußere und innere Rahmenbedingungen sollten den Lerneffekt verstärken. Somit verließen die Gruppen für 3-4 Tage mit je zwei Lehrer/innen der Klasse die Schule, tagten in kleinen Lerngruppen und erarbeiteten gemeinsam die Inhalte der einzelnen Einheiten. Durch die gemeinsam genutzte Freizeit konnte sich zusätz­lich eine angenehme und vertrauensvolle Lernatmosphäre entwickeln, die eine positive Gruppenentwicklung bewirkte und damit die zukünftigen Lernprozesse unterstützten sollte.

Aber … was kommt danach? An dieser Stelle wird es sich auf Dauer nun entscheiden, ob dieses Projekt ein Flop wird oder eine Chance für die Schülerinnen und Schüler oder gar für eine ganze Schule.

Das Projekt wird zum Flop, wenn diese Tage nur als nette Abwechslung zum normalen Unterrichtsalltag gesehen wird, wenn den Schülerinnen und Schülern der Bezug zu den Inhalten der einzelnen Fächern nicht verdeutlicht wird, wenn der tägliche Unterricht im Widerspruch zu den Inhalten der Einheiten stehen.

Ich möchte dies an zwei extremen Beispiel erklären:

Worin liegen die Chancen dieses Projektes? Das Projekt kann als Auftakt zu einem gezielten Programm angesehen werden, dessen Inhalt Lern- und Arbeitstechniken ist und über die gesamte Schulzeit am TGG gespannt werden soll. Dafür müssen die Schülerinnen und Schüler die von ihnen persönlich bevorzugten Lerntechniken, die in den Projekttagen nicht unbedingt fachspezifisch erarbeitet wurden, in den einzelnen Fächern wiederfinden, einüben und automatisieren. Sie müssen die Möglichkeit erhalten in Gruppen auch an längeren Aufgaben zu arbeiten, die es ihnen ermöglicht oder erzwingt Lernzeit sinnvoll aufzuteilen. Sie müssen fächerübergreifende Probleme geboten bekommen. Sie müssen immer wieder erkennen, dass es notwendig ist alle Lernkanäle einzusetzen.

Dies ist nur dann durchführbar, wenn die Kollegenschaft miteinander ins Gespräch kommt. Sie muss über das Lernen reden und zwar nicht nur über das „Was“, sondern auch über das „Wie“. An dieser Stelle will ich nicht ausführlicher über die Folgen reden. Jeder Leser oder jeder Leserin möge den erhöhten Zeitaufwand durch die Diskussionen im Kollegium etc. und die Entlastung für den weiteren Unterrichtsalltag in eine Waagschale werfen und für sich eine Entscheidung treffen.

Spinnen wir dieses Programm wei­ter: Nach Absprache mit dem Klassenkollegium werden in den 7. Klassen die Lerntechniken, die in diesem Projekt erarbeitet werden, in den laufenden Unterricht getragen. Hierbei muss der Wiedererkennung der Inhalte in den einzelnen Fächern und die Übertragbarkeit aus den verschiedenen Fächern immer wieder deutlich werden. In den Klassen 8 und 9 werden die Techniken überprüft und weiter ergänzt und in der 10. Klasse genutzt z. B. für die Vorbereitung der „besonderen Arbeit und mündlichen Prüfung“. Zu Beginn der 11. Klasse werden an Arbeitstagen die bekannten Inhalte auf die neuen Aufgaben in der Oberstufe wie: Praktikumsbericht – Facharbeit – besondere Lernleistung im Abitur – die Abiturvorbereitungen und die Abiturprüfung übertragen und im laufenden Unterricht fortgeschrieben.

Darin sehe ich die Chance dieses Projektes. Es wird viel Arbeit machen, unsere Arbeitsweisen als Lehrende zu überdenken und neben dem „Was“ auch das „Wie“ des Lernens zu bedenken. Aber auf diese Weise lernen unsere Schülerinnen und Schüler ihre fachspezifischen Kenntnisse durch vielseitige und effiziente Arbeitstechniken auf immer neue Lernfelder zu übertragen.

Dafür lohnt sich die Erarbeitung und die Weiterarbeit an diesem Projekt.

PS. Ich bedanke mich auf diesem Wege bei allen Kolleginnen und Kollegen, die sich aktiv und kon­struktiv für dieses Projekt eingesetzt haben. Nur durch diese Zusammenarbeit konnte die ständige Aufarbeitung und notwendige Veränderung der Einheiten und die Durchführung der Projekttage gewährleistet werden. Barbara Hallerbach

(Auszug aus der Festschrift 1999)

2007-07-04, mh