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„Die großen Konflikte der Zeit wären lösbar, wenn wir Menschen die Kraft fänden, persönlich und politisch gemäß der Bergpredigt zu handeln“, sagte Richard von Weizsäcker, der ehemalige Bundespräsident, über die Bergpredigt 1993.
In wie weit die Umsetzung der Bergpredigt auf der persönlichen Ebene erfolgen kann, welche Fragen, welche Gefühle und welche Kritik diese hervorbringt, wurde im Rahmen des Religionsunterrichtes im Grundkurs rk11 unter der Leitung von Frau Wingert thematisiert.
Zu Beginn einer Doppelstunde bekamen die Kursmitglieder einen an sie adressierten Brief. Jeder Brief enthielt einige Verse der Bergpredigt und den Auftrag, diese einen Tag lang zu verwirklichen. Absender: Jesus von Nazareth. Von der Umsetzung dieses Auftrags sollte in einem Antwortbrief berichtet werden.
Aus Zeitgründen konnte dieser Auftrag plausiblerweise nicht über den ganzen Tag erfolgen; statt dessen schrieb der Kurs seine Gedanken direkt nieder. Die folgenden Briefe sind Impressionen dieser ganz persönlichen, individuellen Gedankengänge und Gefühlslagen.
Eines beliebigen Morgens kommen Sie – wie so oft ein wenig verschlafen – zum Frühstück. Als Sie sich Ihren Tee eingießen wollen, bemerken Sie den Umschlag, der an Ihrer Tasse lehnt. Neugierig öffnen Sie ihn. Sollte sich darin der Zuschuss befinden, den Sie von Ihren Eltern zur Finanzierung Ihres Herzenswunsches erbeten hatten?
Die erste Enttäuschung: Ein Blatt Papier kommt zum Vorschein. Sie falten es auseinander. Die zweite Enttäuschung: Sie lesen:
Liebe … / Lieber …!
Ich habe einen Auftrag für dich:
Halte dich den ganzen heutigen Tag über an die folgende Regel:
22 Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.
Schreibe mir unbedingt heute Abend, wie es dir damit ergangen ist. Ich bin schon sehr gespannt auf deine Antwort.
JvN
Warten Sie den Tag nicht ab, sondern antworten Sie schon jetzt!
39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!
Lieber Jesus,
ich habe mich sehr über deinen Brief gefreut und versucht deinen Auftrag in die Tat umzusetzen. Dadurch war mein heutiger Tag ein wenig anders als üblich. Zum Beispiel musste ich mich sehr zurückhalten, um kein Kontra zu geben, nachdem jemand einen unschönen Scherz zu meinen Lasten geäußert hat. Denn ich habe gelernt, dass ich mir nicht alles gefallen lassen soll, und möchte darum auch nicht zum Spielball Anderer werden. Letztendlich habe ich diese Herausforderung gemeistert und den gemeinen Spruch über mich ergehen lassen. Zudem half ich heute mehr im Haushalt und habe nicht versucht, mit einer Ausrede davonzukommen wie sonst manchmal. Dadurch blieb mir ein bisschen weniger Zeit, um meinen eigenen Bedürfnissen nachzugehen, aber nicht in großem Maße, da niemand meine heutige hilfsbereite Einstellung ausnutze. Am Ende des Tages habe ich dann doch ein wenig besser gefühlt, im Haushalt mitgeholfen zu haben und Konflikten entkommen zu sein.
Als Fazit kann ich sagen, dass es mir schwer fällt niemanden Widerstand zu leisten, wenn er mich angreift, auch wenn nur verbal. Doch ab und zu Hilfe leisten, kostet mich keine große Überwindung, jedoch nur, solange Zeit für den Nachgang meiner eigenen Ziele bleibt.
Ich habe diese Aufgabe gerne angenommen und werde versuchen, soweit ich es für angemessen halte, weniger Widerstand in meinem Leben zu leisten.
Danke für deine Anregung!
Liebe Grüße
Geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe!
So hast du es mir geschrieben. Aber oftmals ist es einfacher Worte zu gebrauchen als sie in die Tat umzusetzen.
Es gibt Dinge, die schwierig sind zu verzeihen. Zudem kostet es oft selbst Überwindung, um zu einer Person zu gehen, mit der man sich zerstritten hat, um sie selbst um Verzeihung zu bitten. Der eigene Stolz macht einem dann doch mal den Gang zum Nächsten schwer.
Das nächste Problem ist die Reaktion des anderen. Wird er mir verzeihen? Wird er, wenn er etwas falsch gemacht hat, selbst um Verzeihung bitten? Zu einer Versöhnung gehören immer zwei Parteien.
Ich kann zwar versuchen mich mit einer Person zu versöhnen, ob eine Versöhnung erfolgt, hängt dann jedoch vom Gegenüber ab.
Ich bin dir trotzdem dankbar, dass du mir diese Aufgabe gestellt hast. Oftmals handeln Menschen nach einem Streit aus Impuls und Wut. Es wird vergessen, dass man sich um ein friedliches Miteinander kümmern sollte.
Somit sollte jeder mit der Motivation, ein friedliches Zusammensein zu schaffen, handeln und leben.
Lieber JvN,
bezüglich deiner Aussage Sucht und ihr werdet finden ist es mir doch bitter aufgestoßen.
Ich suche schon sehr lange nach so etwas wie Gott. Und häufig, wenn ich kurz davor bin etwas zu finden, sehe ich zum Beispiel, wie ein neugeborenes Kalb trotz aller Bemühungen unsererseits nicht groß werden kann.
Ich sah es lange an und dachte: „Ist das mein Fund?“. Ich kann einfach nicht akzeptieren es als banales „Leid“ abzustempeln und zu sagen, es sei jetzt an einem besseren Ort.
Außerdem trifft dieser nicht zu begreifende Vorgang nicht nur das Kalb selbst. Auch die Mutter hat ihr eigen Fleisch und Blut verloren. Zudem sah auch ich mich in einer besonderen Verantwortung für dieses Leben. Trotz dieser Verantwortung war ich machtlos und konnte buchstäblich nur zusehen.
Dabei kommt die Frage auf: Wer hat Schuld daran, dass dieses Kalb nicht leben und erleben durfte? Das Kalb und die Mutter? Niemals! Wer dann???
Von den gesagten „guten Gaben“ kann es auch keine erhalten.
Wie viel mehr wird unser Vater im Himmel uns Gutes geben?
Ich finde der Text klingt schön, allerdings bedarf es dringend einer gründlichen Anleitung. Wo soll ich anklopfen? Wie soll ich suchen? Um was soll ich bitten? Um kein Unglück? Dabei kommt es doch immer wieder.
Mir ist das Theodizee-Problem bekannt. Ich weiß auch, dass heiß darüber diskutiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
29 Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! 30 Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg!
Lieber Jesus von Nazareth,
Auf diesem Wege antworte ich auf den mir heute vermittelten Auftrag. Die Intention des Auftrages, das Böse auszugrenzen und mich von ihm zu befreien ist überzeugend. Besonders das Streben nach einem gutem Handeln sollte eine Priorität im Leben stellen. Sicherlich veranlasst eben dein Wort viele zu diesem erwünschtem Handeln.
Dennoch erschreckte mich persönlich beim ersten Lesen unter anderem deine Wortwahl, und ein Gefühl der Nachdenklichkeit folgte.
Wieso hast du den Auftrag derartig forsch formuliert? Ist diese imperative, gewaltsame Aussage überhaupt angemessen, wenn es eben doch um das Vertreiben des Bösen geht? Wie definierst du „Böse“? Ausgehend von der Annahme, sündigen wäre menschlich: Weshalb urteilst du dann so hart? Vertrittst du nicht die Ansicht der Vergebung anstelle einer unwürdigen Strafe? Ist dies wirklich der angebrachte Weg um aus Fehlern zu lernen?
Können wir dieses verwerfliche Gedankengut überhaupt unterlassen, obwohl wir die Ausführung des Bösen nicht anstreben?
Immer wieder bin ich gedanklich bei deiner Gewalt implizierenden Formulierung, welche sicherlich eine metaphorische Intention hat, dennoch nicht mit meinem persönlichem Verständnis übereinstimmt.
Letztlich sehe ich ebenfalls die von dir als selbstverständlich betrachtete Reflexion des eigenen Handelns kritisch. Alleine der Schritt, die eigenen Fehler als falsch zu identifizieren, übersteigt oftmals das eigene, alltägliche Bewusstsein vieler Menschen. Demnach wäre primär ein Aufruf zu diesem meiner Meinung nach sinnvoller.
Ich bedanke mich herzlich für deinen Brief, die mir übermittelte Aufgabe und den folgenden gedanklichen Prozess, den ich dadurch erleben durfte.
7 Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! 8 Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.
Lieber Jesus,
Ich verstehe aus deinem Brief, dass man Dinge nicht als selbstverständlich ansehen soll, sondern dass man bitten soll und einem dann geholfen wird. Man wird nicht abgelehnt, wenn man jemanden um Hilfe und Einlass bittet. Dennoch gibt es auch Menschen in der heutigen Zeit, die einem trotz Bitten nicht helfen und einen weiterhin ablehnen. Natürlich ist mir klar, dass man, wenn man Hilfe braucht, um diese bitten muss und dass einem nicht alles zufällt. Aber nicht jeder Mensch wird einem helfen. Meinst du das mit sucht und ihr werdet finden? Muss ich nicht aufgeben und irgendwann finde ich die Menschen, die eine Bitte nicht ablehnen?
Ich bin trotz meiner Fragen froh darüber, dass du mir diese Aufgabe gegeben hast, da ich mir sicher bin, dass mir zwar nicht alle, aber viele Menschen geholfen hätten, wenn ich sie um etwas gebeten hätte. Und du zeigst mir auch, dass man selbst niemanden ablehnen sollte, der einem um Hilfe bittet.
19 Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, 20 sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! 21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
Schreibe mir unbedingt heute Abend, wie es dir damit ergangen ist! Ich bin schon sehr gespannt auf deine Antwort.
JvN
Jo Jesus,
was geht?
Habe deinen Brief gesehen und gelesen … was hast du gestern Abend schon wieder geraucht? Muss gutes Zeug gewesen sein!
Immer versuchst du mir irgendwelche Regeln aufzutischen, die für mich keinen Sinn ergeben. Ich soll meine Schätze nicht auf der Erde sammeln? Wo soll ich sonst meine 200-Euro-Bündel lagern?
Ich weiß, Geld und Wertanlagen wie meine Rolex sind nicht alles auf der Welt. Das willst du mir bestimmt mit deinem Gelaber mit dem Herzen auch sagen, aber kannst du dich nicht das nächste Mal klarer ausdrücken?
Jedes Mal muss ich deine Netflix-Block-Buster-Metaphorik entziffern und analysieren, bevor ich verstehe, was du von mir möchtest.
Aber okay. Ich versuche deine Regel zu befolgen, in dem ich meine Gefühle auch als Schatz sehe.
Achja,
ich habe dir nicht ohne Grund ein iPhone besorgt. Du brauchst mir keine Briefe mehr zu schreiben. Nutz das Handy!
Hau rein!
Kurs rk11 (Einstieg: Tomke Spekker)
2020-11-22, bo