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Was die Welt im innersten zusammenhält – Auf der Suche nach den kleinsten Teilchen

Bericht von einem MINT-Camp in Wiesbaden 2014

Foto der Teilnehmer am MINT-Camp in Wiesbaden 2014

Die Teilnehmer des Camps

Vom 09.03. bis 12.03.2014 konnte ich am MINT-Camp in Wiesbaden teilnehmen, bei dem die Teilchenphysik im Vordergrund stand. Angeboten wurde das Camp vom MINT-EC.

Am Sonntag Morgen fuhr ich mit dem Zug nach Wiesbaden. Dort angekommen fing das Camp mit einer Tour per Touristen-Bimmelbahn durch Wiesbaden an und somit einer Konzentration auf die kulturelle und geschichtliche Seite dieses Camps. Am Abend fand wie immer ein Plenum statt, bei dem man die anderen Teilnehmer kennen lernte.

Am Montag Morgen haben wir dann die gut einstündige Reise mit dem Bus zum MaMi, dem Mainzer Mikrotron, angetreten. Dort empfing uns ein Professor, der uns zunächst in die theoretischen Grundlagen eines Teilchenbeschleunigers einführte. Dabei werden kleinste Teilchen wie beispielsweise Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und in einer kleinen Kammer zur Kollision gebracht.

Durch die immense Energie werden die kollidieren Teilchen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt und es zeigen sich Elementarteilchen, die von großen Detektoren erfasst und analysiert werden. Während der Beschleunigung werden die Teilchen stets mit Hilfe von Magneten in der vorgesehenen Spur gehalten. Zudem geschieht all dies im Vakuum, um die Wahrscheinlichkeit für die Kollision mit anderen Teilchen zu minimieren.

Nach der Theorie zur Teilchenbeschleunigung haben wir den Teilchenbeschleuniger besichtigt. Es ist erstaunlich, welche Ausmaße ein physikalisches Experiment besitzen kann und muss, um heutzutage neue Erkenntnisse über unser Universum und dessen Anfang zu erhalten. Detektoren so groß wie ein 8-geschossiges Haus, mehrere hundert Tonnen schwere Magnete und drei Meter dicke Wände für die Abschirmung gegen Strahlung veranschaulichen die Ausmaße der Anlage.

Anschließend haben wir in der Uni-Mensa Mittag gegessen. Danach trafen wir uns mit einem weiteren Physik-Professor, der eine Einführung in die Elementarteilchenphysik lieferte und uns über die Arbeit des CERN informierte.

Elementarteilchen sind die Grundelemente, aus denen die Materie aufgebaut ist. Um ein Elementarteilchen zu sein, darf dieses keine Struktur besitzen, weil man eine Struktur zerstören kann, da sie aus kleineren Bausteinen zusammengesetzt ist. Sie werden daher als punktförmig angesehen.

Zudem haben wir die vier Grundkräfte der Physik kennengelernt: Die schwache, starke und elektromagnetische Wechselwirkung und die Gravitation. Die Elementarteilchen wechselwirken über diese Kräfte und werden so zusammengehalten.

Elementarteilchen sind gegliedert in Quarks, Leptonen, Wechselwirkungsteilchen und das Higgs-Boson. Quarks sind die Bausteine der Neutronen und Protonen in jedem Atom. Sie wirken über die starke Wechselwirkung miteinander und sind daher nur schwer trennbar. Zu den Leptonen gehört als wichtiges Teilchen das Elektron. Es hat eine Ladung von -1, eine sehr kleine Masse und „kreist“ um den Atomkern herum. Zudem gibt es noch zwei weitere Teilchen, die schwerer sind, aber die gleiche Ladung besitzen, und drei neutral geladene Teichen.

Das Higgs-Teilchen hingegen wurde erst vor kurzen entdeckt und ist für die Masse der Materie verantwortlich, indem es mit den Higgs-Feld, das überall präsent ist, interagiert. Nur Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit haben keine Masse, da sie nicht mit dem Higgs-Feld wechselwirken (z. B. Photonen). Daher kann man ein Teilchen, das Masse besitzt, nie auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Zudem hat jedes Teilchen ein Anti-Teilchen, das die gleiche Masse, jedoch die entgegengesetzte Ladung besitzt.

Des Weiteren gibt es drei Generationen von Teilchen. Dabei haben die zweite und dritte Generation jeweils eine höhere Masse als die erste und sind instabiler, sie haben meist nur eine Lebenszeit von weniger als ein paar Mikrosekunden. Lediglich die erste Generation ist stabil. Aus Elementarteilchen der ersten Generation bestehen die Atome unserer Körper.

Symmetrien im Elementarteilchenmodell lassen jedoch vermuten, dass es noch weniger Elementarteilchen gibt, als bisher angenommen wird. Da die Differenz der Masse von der ersten zur zweiten und von der zweiten zur dritten Generation gleich ist und da es 6 Leptonen und 6 Quarks gibt, haben die Teilchenphysiker Anlass, nach noch elementareren Teilchen zu suchen.

Anschließend hatten wir in kleinen Gruppen die Möglichkeit, selbst Daten des CERN auszuwerten. Während des Vortrags hatten wir einen möglichen Zerfall eines Higgs-Boson anhand eines Feyman-Diagramms geschildert bekommen. Dann sollten wir an vereinfachten Daten des CERN überprüfen, ob hier ein möglicher Higgs-Zerfall vorliegt. Dies war sehr interessant, da man einen groben Einblick in die Arbeitswelt der Physiker von CERN bekam und einige Programme kennenlernte, mit denen man die Daten auswertet.

Am Abend haben wir im Schul-Kino der Leibniz-Schule „Illuminati“ geschaut. Dabei wurde uns klar, dass – wenn man genau hinhört – es einige Widersprüche mit physikalischen Gesetzten gibt und man unmöglich innerhalb von ein paar Minuten 3g Antimaterie herstellen und diese problemlos mit einer kleinen Batterie im Schwebezustand halten kann.

Am Dienstag sind wir wiederum zum Physik-Institut der Uni Mainz gefahren. Dort wurden wir von zwei Studenten empfangen, die einen Vortrag über die Paulfalle hielten. Mit einer Paulfalle kann man geladene Teilchen (alles von Ionen über Moleküle bis hin zu Elementarteilchen) „fangen“, indem man sie durch Felder in einer Schwebeposition hält.

Wir haben nach dem Vortrag in kleinen Gruppen selbst eine Paulfalle gebaut und danach erfolgreich ausprobiert. Dazu haben wir Bärlappsporen in die Falle gegeben und diese mit einem Laserpointer bestrahlt, damit sie sichtbar werden. Bei unserer handelte es sich um eine Punktfalle, in der man – wie der Name schon sagt – Teilchen in einem Punkt fixieren kann.

Zusätzlich zu der Punktfalle haben wir auch noch die Linearfalle kennen gelernt. Hier werden die geladenen Teilchen auf einer Linie in Schwebeposition gehalten.

Nach der Mittagspause konnten wir uns zwischen Antimaterie und Ionenkanonen entscheiden. Bei der Ionenkanone handelt es sich um ein Nebenprodukt der Forschungen am CERN. Sie wird heute dazu genutzt, Krebspatienten mit Tumoren an Strahlungsempfindlichen Stellen (z. B. Gehirn) zu therapieren. Dabei werden Kohlenstoff-Ionen mit einer sehr hohen Geschwindigkeit auf einen Tumor geschossen, der vorher mit Hilfe von Computertomografie lokalisiert und drei-dimensional dargestellt wurde. Vor der Behandlung wird der Tumor virtuell in kleine „Scheibchen“ unterteilt. Dadurch entsteht ein Raster, das dann von den Strahl systematisch abgetastet wird.

Der Ionenstrahl kann durch Magnete in horizontaler und in vertikaler Richtung abgelenkt werden, sodass eine Scheibe des Tumors vollständig bestrahlt werden kann. Durch die sehr präzise Bestrahlung wird gesundes Gewebe geschont. Zudem ist bei hohen Geschwindigkeiten der Ionen eine Interaktion mit dem Gewebe sehr unwahrscheinlich, sodass die Belastung von Oberflächengewebe sehr gering ist.

Die Belastung steigt jedoch exponentiell an, da die Ionen mit zunehmender Tiefe langsamer werden und somit öfter mit Molekülen interagieren, die die Ionen wiederum verlangsamen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sind die Ionen so langsam geworden, dass kaum noch Ionen in tiefere Gewebeschichten vordringen und somit die Strahlenbelastung rapide abnimmt. So kann man in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit und somit der Gewebetiefe die Strahlendosis vorausberechnen und fast ausschließlich Tumorgewebe belasten. Die Ionen reißen dann Elektronen aus ihren Bindungen und zerstören so wichtige Zellenzyme oder das Erbmaterial, welches die Zerstörung des Krebsgewebes zur Folge haben.

Zusammen mit der präzisen Lenkung des Strahls bietet die Ionenkanone ein vielversprechende neue Behandlungsmöglichkeit für Krebspatienten. Man muss jedoch beachten, dass diese Therapie für Tumore im Oberkörper schlecht geeignet ist, da man das Körperteil präzise fixieren muss, um es gezielt bestrahlen zu können und dies wegen der Atembewegung nicht möglich ist. Zudem ist eine solche Anlage sehr kostenintensiv und die Behandlung entsprechend teuer.

Jedes Teilchen besitzt ein Anti-Teilchen. Diese Teilchen zusammen ergeben Antimaterie, so wie die Teilchen Materie ergeben. Der einzige Unterschied zwischen einem Teilchen ist die Ladung. Diese sind bei Teilchen und Anti-Teilchen entgegengesetzt. So hat ein Antiproton die gleiche Masse eines Protons, ist aber negativ geladen. Wenn Materie und Anti-Materie in Kontakt kommen, so findet eine Annihilation statt, das bedeutet, dass sie sich gegenseitig „zerstören“, also sich gemäß E = mc2 in Energie umwandeln. Ein kleiner Tropfen Antimaterie würde bei der Annihilation genug Energie freisetzten, um New York für einen Tag mit Strom zu versorgen.

m CERN ist es gelungen, Anti-Protonen herzustellen und diese mit Hilfe einer Paulfalle zu speichern. Dabei werden Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und prallen dann auf ein Stück Kupfer oder Iridium, das sogenannte Target. Die große Menge an Energie, die diese Protonen in Form von Bewegungsenergie mit sich führen, wird durch den Aufprall freigesetzt und das Target erhitzt sich extrem. Dadurch entstehen Bedingungen, unter denen Energie in Materie umgewandelt werden kann.

Experimente haben gezeigt, dass bei so einer Erzeugung von Masse durch Energie immer ein Teilchen und ein Anti-Teilchen entstehen. Somit muss die bei der Kollision freigesetzte Energie mindestens der zweifachen Ruheenergie eines Protons entsprechen. Nach der Kollision müssen die Antiprotonen schnellstmöglich von der Materie getrennt werden, da bei Kontakt eine Annihilation stattfindet. Dies geschieht durch Magnete, die als „Filter“ dienen.

Letztlich werden die Anti-Protonen entschleunigt in einer Teilchenfalle gespeichert. Täglich werden so 1012 Anti-Protonen hergestellt. Dies ist zwar eine große Zahl an Anti-Protonen, es würde trotzdem mehrere Milliarden Jahre dauern, um nur 1g Anti-Protonen herzustellen.

Abends haben wir in der Mensa der Gutenberg-Schule gegessen und uns danach mit diversen erstaunlichen Experimenten beschäftigt, die von der Gruppe Experimenta-on-Tour vorbereitet wurden. Dabei haben wir beispielsweise eine saure Gurke als Leiter benutzt, eine Flüssigkeit (bestehend nur aus Wasser und Speisestärke) hergestellt, die hart wird, wenn man Kraft auf sie ausübt, und einen Feuer-Tornado aufflammen lassen.

Am Mittwoch fand nach dem Frühstück das Abschlussplenum statt, bei dem jeder Camp-Teilnehmer fünf Minuten über ein beliebiges Thema des Camps sprechen musste. So bekam man den Inhalt des Camps noch ein Mal im Schnelldurchlauf präsentiert und hatte die Gelegenheit Fragen zu stellen. Danach erhielt jeder seine Teilnahmebestätigung und das Camp war somit beendet.

Insgesamt kann ich alle Camps des MINT-EC jedem naturwissenschaftlich Interessierten weiterempfehlen. Man bekommt Einblicke in professionelle Wissenschaft und Zugang zu vielen neuen Kenntnissen, die auch im Schulunterricht sehr nützlich sein können. Außerdem kann man Kontakte zu Professoren knüpfen. Des Weiteren macht sich ein Camp immer gut auf dem Lebenslauf.

Text: Lasse Wichmann / Foto: MINT-EC

2014-09-22,