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Schüler glänzen mit „Frühlings Erwachen“

Deutschkurs des TGG gastiert im Freien Theater in Leer: Premiere des Theaterstücks von Frank Wedekind

Leer. „Frühlings Erwachen“, vor mehr als 100 Jahren geschrieben und 1906 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin aufgeführt, reißt auch heute noch den ein oder anderen Pennäler aus dem schulischen Dämmerschlaf. Das Stück von Frank Wedekind entzündet die jugendliche Phantasie. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass die Schüler des Deutsch-Grundkurses am Teletta-Groß-Gymnasium nach der Lektüre des Dramas spontan beschlossen: „Das möchten wir aufführen.“ Der Wunsch nahm rasch Gestalt an.

Von Gabriele Boschbach

Probenfoto

Am Sonnabend feierte der Deutsch-Grundkurs des Teletta-Groß-Gymnasiums die Premiere des Stücks „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind im Freien Theater in der Kunstschule in Leer. Weitere Auf­füh­rungen sind nächsten Freitag und Sonntag.

Da die zuständige Lehrerin Jutta Heinemann professionelle Unterstützung für wünschenswert erachtete, wandte sie sich an den Dramaturgen Ludwig Brundiers, der sofort bereit war, den Stoff mit den Schülern zu inszenieren. Im November 2001 begannen die Proben, am Sonnabend fand die Premiere in der „Freien Kunstschule Leer“ statt.

In einem kargen Bühnenbild entfaltet sich die Tragödie um die beiden Jugendlichen Wendla Bergmann (Janine Yildirim) und Moritz Stiefel (Claas Wermann), die an den bigotten, engherzigen Moralvorstellungen einer kaltblütigen Erwachsenenwelt zugrunde gehen. Jeder auf seine Weise.

Der junge Gymnasiast ist dem Anforderungsdruck seiner ehrgeizigen Eltern und strengen Lehrer nicht mehr gewachsen. In einem System, das auf bloßes Funktionieren ausgerichtet ist, findet er keine Antwort auf existentielle Fragen, nicht einmal auf solche nach dem Geschlechtsleben. In diesem Punkt wird auch Wendla von ihrer Mutter (Sabrina Monni) im Stich gelassen. Sie lässt sich von dem Gymnasiasten Melchior Gabor verführen, der seine eigene Unsicherheit perfekt hinter nihilistischen Phrasen zu verbergen weiß. Der von Mutter Bergmann initiierte dilettantische Versuch, die Schwangerschaft der Tochter abzubrechen, endet tödlich.

In der Schlussszene besucht Melchior das Grab Wendlas und trifft hier auf seinen toten Freund Moritz. Zu den beiden gesellt sich nach kurzer Zeit eine schöne, maskierte Frau. Wedekind hatte in diese Szene eigentlich einen „vermummten Herrn“ vorgesehen, der auftritt, um sich Melchior als Führer durchs Leben anzubieten. Den Mann ersetzt Ludwig Brundiers in seiner Inszenierung durch die unbekannte Schöne, die den ehemaligen Gymnasiasten von seiner Todesverfallenheit erlöst. Ein konsequenter Regieeinfall, der sich schlüssig ergibt aus der geschlechtsbezogenen Polarisierung des Stückes. Ludwig Brundiers akzentuiert diesen Aspekt, indem er etwa die stark ritualisierten Verhaltensweise in der Männerwelt satirisch zugespitzt darstellt.

Die drei Hauptfiguren agierten sehr souverän. Janine Yildirim meistert überdies noch die Zusatzaufgabe, das Modell Ilse und die maskierte Schöne in der Schlussszene darzustellen. Brundiers führte die Klasse zu einer geschlossenen Ensembleleistung. Mit seiner Inszenierung zeigte er eindringlich, dass die Kälte einer Welt entfremdeter Subjekte von Heranwachsenden viel intensiver wahrgenommen wird als von anderen Generationen.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 10. Juni 2002

2007-02-28, ms