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Von Nina Höllerich
Das Bild zeigt die Schüler bei einer der letzten Proben.
LEER – Tische und ein Podest sind hinter den Bücherregalen in der Leeraner Stadtbibliothek aufgebaut. Dahinter trennt ein weißer, leicht durchsichtiger Vorhang den Raum. Er soll ein Milchglasfenster symbolisieren. Die Umrisse von sechs jungen Menschen in schwarzer Kleidung sind hinter dem „Milchglas“ zu erkennen. Auf dem Podest sitzt eine junge Frau und rechtfertigt sich. Die Schüler proben für das Theaterstück „Der Vorleser“ nach dem Roman von Bernhard Schlink. Heute um 20 Uhr hat das Stück in der Leeraner Stadtbibliothek Premiere.
Das Szenario wird von Petra Jäger überwacht. Sie ist Lehrerin für Deutsch und Musik am Teletta-Groß-Gymnasium (TGG) in Leer und hält die Fäden des Theater-Projektes in der Hand. „Die Schüler haben das Stück eigenständig erarbeitet. So bekommen sie Einblicke in die wesentlichen Bereiche einer Theaterproduktion“, sagt Jäger. Dafür haben die Jugendlichen viel Freizeit geopfert. Doch die Gruppe wollte „von Anfang an niemanden, der das Projekt leitet“. Die Verantwortung für ihr „Baby“ laste auf den eigenen Schultern, sagen die Schüler, die zwischen 16 und 18 Jahre alt sind.
Auch mit den Terminen nehmen sie es ganz genau: „Das ist anders als beim normalen Unterricht. Wer nicht kommt, lässt die ganze Gruppe hängen. Das überlegt man sich“, sagt Claas Wermann und die anderen nicken zustimmend. „Wir stehen mit unserem Namen für das ein, was wir hier machen.“ Auch um das Organisatorische hat sich die Gruppe allein gekümmert.
Inhaltlich geht es bei „Der Vorleser“ um eine außergewöhnliche Beziehung zwischen dem 15-jährigen Michael Berg (Gerrit Cavigelli) und der 36jährigen Straßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz (Anna Heeren). Die zwei lernen sich durch einen Zufall kennen und lieben. Lange Zeit haben sie ein geheimes Verhältnis. Während ihrer Treffen wird es zum Ritual, dass er ihr vorliest, bevor sie miteinander schlafen. Doch eines Tages ist Hanna spurlos verschwunden. Jahre später treffen sich Hanna und Michael im Gerichtssaal wieder. Hanna ist als ehemalige Aufseherin eines Konzentrationslagers angeklagt und soll am Tod von 150 Frauen und Kindern mitverantwortlich sein. Michael soll als Student der Rechtswissenschaften den Prozessverlauf protokollieren.
„Es ist eine Herausforderung, das Buch in ein Theaterstück umzusetzen. Schließlich sind wir keine Profis“, erklärt Gerrit Cavigelli. Zusammen mit Anna Heeren und Petra Jäger hat er das Stück ausgesucht, gekürzt und sich überlegt, wie man es am besten inszeniert. Erst danach haben sich die 15 Schüler zusammengesetzt. „Wir haben uns bewusst für das Thema entschieden“, sagt Patrick Viol. „Es darf nicht in Vergessenheit geraten!“
Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 7. Mai 2004, Seite 6
2004-05-11, dh