Zum Inhalt springen

Sie sind hier: Startseite > TGG > Presseberichte > OZ vom 12.07.2006

„Wir müssen dort dringend etwas tun“

PREIS Schüler des Teletta-Groß-Gymnasiums für Projekt über Belästigung in Chaträumen ausgezeichnet

Die Leeraner zeigen auf, dass viele Kinder im Internet sexuell bedrängt werden. Für ihre Arbeit erhielten sie 7000 Euro Preisgeld.

Von Sebastian Bete

Foto von der Preisverleihung

Die 29 Schüler des Teletta-Groß-Gymnasiums in Leer wurden mit ihrer Lehrerin Aneke Petras (rechts, rote Jacke) für ihr Projekt in Horneburg bei Stade ausgezeichnet.

LEER - Aneke Petras konnte es einfach nicht glauben. Sie musste es selbst ausprobieren, musste sich ein eigenes Bild machen. Folglich startete sie ihren Computer, bediente das Internet und betrat einen Chatraum. Natürlich anonym. Keiner wusste, wer sie war. Genau so sollte es sein. Denn Petras verfolgte einen Plan. Die Lehrerin des Teletta-Groß-Gymnasiums in Leer gab sich als elfjähriges Mädchen aus, verschwand getarnt in der digitalen Welt aus Bits und Bytes. Und dann passierte es. Man sprach sie an, belästigte das elfjährige Mädchen sexuell. „Sieben von zehn Chatgesprächen beinhalten eine sexuelle Anmache“, sagt die Lehrerin heute.

Vor gut einem Jahr hatte Petras an einer Fortbildung „Mädchen im Netz – Gefahren im Internet“ teilgenommen. Dort wurde die Problematik der Belästigung besprochen. Daraufhin unternahm die Pädagogin den Selbstversuch im Chat und sprach danach mit ihren TGG-Schülern der Klasse 10 f. Das Thema war dort bekannt. „Ich war erstaunt, wie viele Schüler darüber Bescheid wissen“, sagt Petras.

Mit der Klasse startete sie dann das Projekt „Gefahren in Chaträumen“. „Wir wollten jüngeren Schülern helfen. Denn die wissen oft nicht, was sie dort erwartet und wie sie reagieren können“, sagt Petras. In der Folge führte man Umfragen unter Schülern durch und wertete die Ergebnisse aus. Informationsflyer wurden gedruckt sowie Tipps für ein sichereres Chatten formuliert.

Jetzt erhielt Petras mit ihren 29 Schülern eine Auszeichnung. Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann zeichnete das Leeraner Projekt im Rahmen der Initiative „Kinder und Familien – kompetent im Umgang mit Medien“ mit dem zweiten Platz aus. „Wir haben 7000 Euro Preisgeld erhalten“, sagt Petras. Dies sei zweckgebunden und soll nun in das Projekt investiert werden. Denn aufhören wollen die Schüler noch nicht.

„Wir möchten die Ergebnisse der Politik vorstellen“, sagt die Lehrerin. Ross-Luttmann habe die Leeraner bereits nach Hannover eingeladen. „Dort soll auch Ministerpräsident Christian Wulff dabei sein“, betont Petras und fordert eine gesetzliche Handhabe gegen die Täter. Die gebe es bislang nicht. „Wir müssen dort dringend etwas tun. Jüngere Kinder sind ganz einfach ausgeliefert“, sagt sie. Denn auch viele Eltern wissen nicht Bescheid. Deshalb betreibt Petras nun Aufklärungsarbeit. „Ich informiere verstärkt auf Elternabenden.“ Und auch dort trifft sie immer wieder auf Menschen, die dies alles zunächst nicht glauben können.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 12. Juli 2006, S. 21

2006-07-13,