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Jüdisches Mädchen bekommt eigenen Platz

POLITIK Späte Ehrung für von Nazis im Vernichtungslager ermordete Leeranerin Liesel Aussen geplant

Der Kreuzungsbereich vor dem ehemaligen Taraxacum soll nach dem Kind benannt werden. Es war 1936 in unmittelbarer Nachbarschaft in der Rathausstraße zur Welt gekommen.

Von Wolfgang Malzahn

Foto von Liesel Aussen

Jetzt ist ein Bild von Liesel Aussen aufgetaucht. Nach diesem kleinen Mädchen, das mit seinen Eltern das KZ nicht überlebte, soll ein Platz in Leer benannt werden.

LEER - Die Geschichte ist spannend, tragisch und traurig zugleich: Ein siebenjähriges jüdisches Mädchen aus Leer ist im Juli 1943 im KZ Sobibor gemeinsam mit seinen Eltern von den Nazis ermordet worden. Liesel Aussen ist nicht zuletzt dank der intensiven Nachforschungen von TGG-Schülern zu einer Identifikationsfigur geworden. Sie haben versucht, das Leben des Mädchens im Rahmen eines archivpädagogischen Modells in einer Ausstellung darzustellen, die seit dem 9. November in der Aula des Teletta-Groß-Gymnasiums gezeigt wird. Nun soll nach dem Willen des Schul- und Kulturausschusses der Stadt auch ein Platz in der Stadt nach Liesel Aussen benannt werden.

Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, dass der Kreuzungsbereich vor dem früheren Taraxacum zum Liesel-Aussen-Platz werden soll. Immerhin war die kleine Leeranerin dort in unmittelbarer Nachbarschaft zur Welt gekommen – 1936 in der Rathausstraße 22 - 24. Das fand Heinz Dieter Schmidt (SPD) nicht so passend: „Da wird ein Platz vorgeschlagen, den es noch gar nicht gibt.“ Sandra Bockhöfer (FDP) hält das Areal hingegen für sehr geeignet: „Der hat eine besondere Atmosphäre und eine Nähe zum Elternhaus von Liesel Aussen.“

Bruno Schachner (Grüne) versuchte zu vermitteln. Der Rat sei es letztlich, der darüber entscheiden werde, wie dieser Platz vor dem Taraxacum künftig gestaltet wird. Schachner: „Vor dem Hintergrund, dass der Platz nach dem Mädchen benannt werden soll, denkt man ganz anders über diese Fläche nach.“ Erster Stadtrat Heinz Hauschild sagte, er habe den Eindruck, alle im Ausschuss seien dafür, dass ein Platz nach Liesel Aussen benannt wird. Es gehe nur noch darum, dass es ein wirklich würdiger Platz sei, der dafür ausgewählt wird. Und da der Kreuzungsbereich vor dem ehemaligen Taraxacum noch auf seine konkrete, endgültige Gestaltung warte, sollte man die Entscheidung so lange zurückstellen.

Die Geschichte der Liesel Aussen ist erst in den letzten Wochen konkreter geworden. Denn während der Zusammenarbeit mit Seniorenstudenten der Universitäten Groningen und Oldenburg stellte sich heraus, dass in den Niederlanden noch ein Großcousin und eine Großcousine leben. Der 77-jährige Bert Aussen aus der Nähe von Arnheim hatte sich in Begleitung seiner Cousine Carry Bosmann Ende September in Leer eine Dokumentation über jüdische Schicksale angeschaut. Beide hatten nichts von der Existenz von Liesel Aussen gewusst. „Sie haben bei uns im Rathaus das erste Mal von ihr erfahren“, berichtete Stadtarchivarin Menna Hensmann in einem Bericht im „Wecker“.

Bert Aussen ist der Sohn des Bruders von Alfred Aussen, dem Vater von Liesel. Er war von seinen Eltern aus Angst vor den Nazis den Nachbarn übergeben worden, die ihn als eigenes Kind anmeldeten. Erst in Leer erfuhr er, dass er eine Cousine hatte. In einem Fotoalbum hatte er auch ein Bild von Liesel Aussen gefunden, ohne bislang zu wissen, wer das kleine Mädchen ist. Er stellte es dem Leeraner Stadtarchiv zur Verfügung.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 24. November 2010, S. 20

2010-11-30,