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Nach einer Klassenarbeit zum Thema Kurzgeschichten veranstaltete die 8b einen Schreibwettbewerb, um die geballte Theorie auch einmal praktisch anzuwenden. Viele Stunden und Überarbeitungen später kann die Klasse voller Stolz auf 21 einzigartige Kurzgeschichten blicken, von denen drei der beliebtesten hier veröffentlicht werden.
Es ist der 11.09.2001, wir sind seit gestern auf unserer Abschlussfahrt nach New York. 6 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Zwei meiner Freunde, die ebenfalls in meinem Zimmer sind, sind bereits aufgestanden.
6:15 Uhr und ich liege immer noch in meinem Bett. Heute hatten wir eine Führung durch die Stadt geplant. Ich kann nicht schon wieder zu spät kommen. „Bilal, Bruder, wann hast du eigentlich mal vor aufzustehen?“, fragt mich einer meiner Freunde. „Ja, diggi, alles gut, gleich, ich geh‘ nur noch eben duschen.“
7 Uhr, ich bin geduscht und kann jetzt los zum Frühstück.
Im Restaurant sitzen schon alle vor leeren Tellern, ich bin wieder mal zu spät, also eben auf, schnell durchs Buffet und sich ein geiles Brötchen mit richtig viel Nutella abholen. Schlimmer kann meine Form eh nicht mehr werden. „In 10 Minuten müssen wir los!“, sagt unser Lehrer. „Ja locker schaff ich das noch.“
Ich bin am essen wie ein Weltmeister und in fünf Minuten bin ich dann auch fertig. „Wichtig Bro!“, sage ich zu meinem Freund. Ich bin ja doch noch pünktlich. Aber ich habe meine Jacke im Zimmer vergessen. „Das schaffe ich noch in den fünf Minuten.“
Also wieder ab ins Zimmer und meine Jacke holen.
Ich stehe vor unserer Zimmertür, aber natürlich habe ich den Schlüssel vergessen. Dann muss ich halt ohne Jacke los, denn viel Zeit habe ich nicht mehr. Und jetzt muss ich auch noch den ganzen Gang für nichts zurücklaufen.
Unser Führer steht bereits unten und unsere ganze Klasse um ihn herum. Ich stelle mich einfach dazu, als wenn nichts gewesen wäre. „Our first …“, fing der Führer an. „Och ne oder, jetzt spricht der auch noch Englisch, da macht sich meine 4- ja super“. Was auch immer der labert, ich glaube, unser erstes Ziel ist das „New York Exchange“ oder wie auch immer er das mit seinem komischen Akzent gesagt hat.
„Now we are in front of on …“ fing er schon wieder an. Es langweilt mich so. Ich will einfach zurück ins Hotel in mein Bett.
Das nächste Ziel ist das World Trade Center, das ist zumindest ein bisschen spannend. Das hohe Gebäude kann man schon von weitem sehen. Als wir dann vor dem Gebäude stehen, sehen alle mit dem Kopf im Nacken die Spitze des hohen Gebäudes an. Und der Führer fängt schon wieder an irgendwas auf Englisch zu labern. Natürlich kann ich nichts verstehen und gucke deswegen weiter auf das Gebäude. In der Ferne kommt ein Flugzeug über die Stadt geflogen. Ich schaue es an ohne Sinn, aber irgendwas ist komisch. Es kommt näher und näher, ich weiß nicht, was es vorhat. Es scheint aber auch nicht hochzuziehen, nein, ganz im Gegenteil, es kommt noch näher in einer sehr hohen Geschwindigkeit. Das Flugzeug fliegt genau auf das World Trade Center zu und dann geschieht es, das Flugzeug steuert genau in die Mitte des riesigen Gebäudes. Die Menschen werfen einen kurzen Blick nach oben und fangen an zu rennen und wegzulaufen. Das Gebäude brennt und Teile stürzen vom Himmel. Die Leute schreien um Hilfe und stürzen sich aus den Fenstern. Zum ersten Mal in meinem Leben kommt mir ein Gefühl auf, welches ich noch nie hatte, ich habe Angst und Mitleid. Die Menschenmassen rennen an mir vorbei, nur ich bleibe stehen und gucke weiter nach oben. Meine Freunde, unser Lehrer, alle sind weg. Ich weiß nicht, was ich tun soll oder was man macht, wenn man Angst hat. Ich versuche, ein paar Schritte in die andere Richtung zu gehen, um auch zu flüchten. Mich erwischt jedoch etwas am Kopf und das Letzte, was ich sehe, ist Schwarz.
Lennart Smid, 8b (2022/23)
Ich höre die stürmische See rauschen. Ich höre, wie die Wellen am Strand brechen. Den Sand spüre ich unter meinen Füßen. Ich habe Angst, ins Wasser zu gehen, weil ich das Gefühl habe, wenn ich das ohne ihn mache, wird es noch realer.
Ich habe mir zwar Stunden, Tage und Monate die Augen wegen ihm aus dem Kopf geweint, dennoch ist ein kleiner Teil von mir so naiv und verdrängt es. Es ist das kleine, unschuldige Mädchen, das ich mal war. Der Teil von mir, der dachte, diese Welt sei ein Ort voller Glücksmomente. Aber so ein Ort ist die Welt nicht! Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Diese Welt ist ein hässlicher, dunkler Ort. So denke ich seit einem Jahr, seit es passiert ist.
Ich bin nicht mehr die Luisa, die ich mal war. Nicht dieser fröhliche, optimistische Mensch, den alle liebten. Nein, diese Luisa bin ich nicht mehr. Ich habe mich verändert. Ich und diese Luisa, die ich früher war, haben keine Ähnlichkeit mehr. Doch dennoch bin ich heute hier. Ich muss der Realität ins Auge blicken. Er ist tot und das wird er immer sein.
Ich versuche, mich auf etwas anderes zu fokussieren. Ich setze ganz vorsichtig und langsam einen Fuß vor den anderen. Ich nehme das kalte Wasser wahr, welches gegen meine Beine schwappt. Im Wasser angekommen, sind all die Gedanken verschwunden. Es gibt nur den endlosen Ozean, mein Brett und mich. Ich treibe bäuchlings auf dem Meer und warte auf eine gute Welle. Sie kommt. Ich mache mich bereit und fange an, mit den Armen zu kraulen, so wie er es mir vor acht Jahren gezeigt hat.
Da sind die Gedanken über ihn wieder. Ich möchte doch nicht mehr über ihn nachdenken. Wegen seines Todes habe ich mir ein Jahr lang die Augen aus dem Kopf geweint. Und das hätte er nicht gewollt. Er hätte nicht gewollt, dass ich die Lebenszeit, die er nicht mehr hat, damit verbringe, um ihn zu trauern. Also verbiete ich mir die Gedanken an ihn.
Ich fokussiere mich nur noch auf die Welle. Die Welle ist atemberaubend. Sie ist perfekt. Ich gleite auf dem Wasser, als wären wir eins. Wie konnte ich dieses einzigartige Gefühl nur so lange meiden? Ich lasse mich auf dem Wasser treiben, als wäre es eine Person, der ich blind vertraue. Ich schließe meine Augen und genieße die Sonne.
Als ich meine Augen langsam öffne, bin ich an einer Bucht gelandet, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Die Palmen und der Sandstrand machen diesen Ort paradiesisch. Ich lasse meinen Blick über das Meer schweifen. In der Ferne erkenne ich einen zappelnden Fleck. Ich paddele auf den Fleck zu. Als ich näher komme, erkenne ich, dass es eine Schildkröte ist, die in einem Fischernetz gefangen ist. Ich komme ganz langsam auf sie zu, um sie nicht allzu sehr zu erschrecken. Sie kämpft um ihr Leben. Genauso, wie er es getan hat. Doch im Gegensatz zu ihm wird diese Schildkröte es überleben. Ich rede auf die Schildkröte ein: „Hey, alles gut! Ich bin Luisa. Ich möchte dir helfen. Du musst stark sein und kämpfen, genauso wie ich es heute machen musste. Ich hatte Angst, nach seinem Tod wieder Surfen zu gehen. Ich habe ihn mit 16 Jahren kennengelernt. Es war im Sommerurlaub mit meiner Familie. Er hat mir Surfen beigebracht. Er ist vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“ Ich merke, wie die Schildkröte ruhiger wird. Ich versuche das Netz zu entwirren. Ich schaffe es. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Die Schildkröte ist frei, jedoch schwimmt sie nicht davon, wie ich es erwartet habe. Sie bleibt an exakt der Stelle und bewegt sich keinen Zentimeter.
„Du musst aus dem Netz kommen, um die Schönheit des Ozeans zu sehen.“
Hannah Fieml, 8b (2022/23)
Ich habe mich wie ein kleines Kind auf meinen Geburtstag gefreut. Immerhin war es kein normaler Geburtstag, denn ich wurde 18. Ich habe mich ewig auf diesen Tag gefreut und er war nur noch wenige Stunden entfernt. Ich dachte, mein Leben wäre perfekt. Mein einziges Problem war, dass meine Mutter nicht da war. Ich war zerbrochen, als ich dies erfahren habe.
Mein 18. Geburtstag ist einer der wichtigsten Tage meines Lebens und ich soll ihn ohne meine Mutter verbringen? Dieser Gedanke hat mich zwar gebrochen, aber ich habe mich dadurch nicht runterziehen lassen. Immerhin hatte ich in der Schule viele Freunde, gute Noten und war die Beste im Tennisteam unserer Schule. Außerdem war geplant, dass ich nächste Woche für 6 Monate nach New York fliege, um einen Austausch zu machen. Es war naiv von mir zu denken, dass alles so perfekt sein kann. Ich meine, ich bin Emma Bennington. Mir hätte klar sein müssen, dass irgendwas passiert. Und ja, das ist es auch. Ich konnte an diesem Abend vor Glück und Aufregung nicht einschlafen und wahrscheinlich war es der größte Fehler oder einfach nur Schicksal, dass ich doch einschlief, denn eines habe ich bereits gelernt: bei mir läuft nie alles gut. Also schlief ich ein. Allerdings bin ich circa um 02:00 Uhr nachts aufgewacht und habe mich gewundert, warum mir so warm ist. Ich beschloss, es auf die Nervosität zu schieben, und versuchte weiter zu schlafen. Als ich kurz darauf nochmal wach wurde, nahm ich einen verbrannten Geruch wahr. Als ich verstand, dass es brennen muss, wurde ich sofort panisch. Ich stand auf und rannte nach unten und tatsächlich sah ich schon von der Treppe aus die Flammen. Ich hielt mir schnell den Stoff meines Pyjamas vor den Mund und rannte so schnell es geht den Flammen entgegen und durch den Rauch, der sich bereits so ausgebreitet hatte, dass ich trotz des Stoffes vor meinem Mund nicht mehr atmen konnte. All das war mir aber egal, denn ich hatte nur eines im Kopf: Ich muss so schnell es geht nach unten zu meinem Vater und dann mit ihm aus diesem verdammten Haus flüchten. Doch als ich in dem Zimmer meines Vaters angekommen war, blieb mein Herz stehen. Ich sah ihn auf dem Bett liegen. Auf seinem linken Bein lag ein Holzregal, was komplett in Flammen stand. Ab diesem Moment habe ich nichts mehr realisiert und wahrgenommen. Meine Beine setzten sich sofort automatisch in Bewegung, doch ich hatte das Gefühl, ich wäre längst nicht mehr anwesend. Sofort ging ich auf das Bett meines Vaters zu und tatsächlich habe ich keine Atmung mehr wahrgenommen. Ich legte meine Hand auf seinen Bauch und bekam sofort Panik, weil er sich nicht rührte. Ich versuchte noch ihn wei-ter zu mir zu ziehen, um ihn von dem brennenden Regal zu befreien, doch es funktionierte nicht. Ich griff sofort nach meinem Handy und wählte die Nummer des Rettungswagens und der Feuerwehr, doch als auf der anderen Seite der Leitung die Stimme eines alten Mannes erklang, bekam ich sofort Panik. Ich weiß nicht warum, aber ich brachte kein Wort mehr heraus. Der Mann brauchte viel Zeit, um mich zu beruhigen, damit ich endlich sagen konnte, wer ich bin, was passiert war und wo ich mich gerade befand. Ich fühlte mich nach diesem Gespräch allerdings nicht besser. Im Gegenteil: Ich habe nach diesem Telefonat noch einmal mehr verstanden, was hier gerade wirklich passierte. Das Haus, in dem ich seit 18 Jahren wohne, brannte gerade nieder und die Chancen für meinen Vater standen verdammt schlecht. Als der Rettungswagen circa zehn Minuten später bei mir war und der Sanitäter mir sagte, dass mein Vater tot ist, brach meine Welt zusammen. Der Mann sagte noch irgendwas von Therapie und fragte mich, was mit meiner Mutter ist und er bot mir an, mich auch mitzunehmen. Er sagte sogar „alles wird wieder gut“, doch es wird bestimmt nicht wieder gut, das war mir sofort bewusst. Es wird alles anders sein. Es wird nie mehr wie früher. Weil mir dies auf einmal so bewusst wurde, brach ich sofort in Tränen aus und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Als dann auch noch der Feuerwehrmann zu mir kam und mich mit 1000 Fragen zudröhnte, konnte ich nicht mehr und rannte ohne weiter darüber nachzudenken einfach weg. Ich wusste nicht wohin, aber mir war klar, dass ich es dort keine Sekunde mehr aushalten würde. Also rannte ich so schnell wie noch nie durch die Straßen. Ich wusste nicht, wohin, aber ich wusste, dass ich weit weg musste. Ganz weit weg von all dem.
Kea Nannen, 8b (2022/23)
Einleitung und Foto: Hendrik Bartels
2023-07-12, bo