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Nach 70 Jahren den Lebensretter getroffen

HOLOCAUST Yehudith Heymans-Gudema überlebte die Nazi-Zeit und besuchte jetzt das TGG in Leer

Die Jüdin war von ihren Eltern als Kleinkind in sichere Hände übergeben worden, bevor diese im KZ starben. Vor wenigen Jahren gab es für sie ein wichtiges Wiedersehen, das half, viele Fragen beantworten zu können.

Foto vom Besuch Yehudith Heymans-Gudemas beim TGG

Yehudith Heymans-Gudema (rechts) sprach vor den Schü­lern über ihre Erlebnisse.

LEER - „Eine starke Persönlichkeit! Es ist sicher nicht leicht, die eigene Familiengeschichte so intensiv zu erforschen, wenn die Hintergründe alte Wunden aufreißen.“ Xenia Steffgen, Teilnehmerin der Arbeitsgemeinschaft „Auf den Spuren unserer ehemaligen jüdischen Mitbewohner“ am Teletta-Groß-Gymnasium (TGG) ist beeindruckt. Sie traf Yehudith Heymans-Gudema (74), als diese im TGG als einzige Überlebende ihrer Familie von den Grauen der Shoah berichtete.

In ihrem 90-minütigen Vortrag über die lange Suche nach der eigenen Identität zog die gebürtige Niederländerin jüdischer Herkunft alle Gäste in ihren Bann: Heymans-Gudema schilderte, wie nach der Annexion der Niederlande und den ersten Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der jüdischen Bevölkerung ihre Eltern Jacob und Rebecca Gudema eine dunkle Vorahnung beschlich. Sie glaubten, dass es alsbald keine Hoffnung für sie selbst gäbe. So versuchten sie, zumindest ihre Tochter vor den Nazi-Schergen zu retten. Dazu nahmen sie Kontakt zu einem Mitglied des niederländischen Widerstands namens Opdam auf und verabredeten, wie sie ihr Kleinkind in einem Hauseingang zu treuen Händen übergeben könnten. So wurde Yehudith im Alter von anderthalb Jahren im Dezember 1942 einer lieben Dame namens „Tante Nell“ in sorgsame Obhut gegeben. Währenddessen waren die leiblichen Eltern gemeinsam mit dem einzigen Sohn Benjamin gezwungen worden, sich im Durchgangslager Westerbork einzufinden. Drei Monate später, im März 1943, wurde die Familie in Sobibor ermordet.

Nach Kriegsende begann für Yehudith, die aus Sicherheitsgründen weder ihren wahren Namen noch ihre Herkunft erfahren hatte, eine Odyssee durch mehrere Pflegefamilien. Erst Jahrzehnte später gelang es dem Ex-Widerstandskämpfer Jan Opdam mit den Namen der Holocaustopfer über die zentrale Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashems Kontakt zu Heymans-Gudema aufzunehmen. Die Wiedersehensfreude war überwältigend. Für Heymans-Gudema eröffnete sich eine neue Welt mit Fotos von der Mutter und dem Vater, Erzählungen über ihre Familie und Gewissheit über das Schicksal ihrer unmittelbaren Angehörigen.

Heute wisse sie, wer sie sei, sagte Yehudith Heymans-Gudema, die seit den 60er Jahren in ihrer Wahlheimat Israel lebt, zwei Kinder und fünf Enkelkinder hat. Sie arbeitet als Kunsttherapeutin und unterstützt Suchtkranke sowie Demenz-Erkrankte.

Aus der Ostfriesen-Zeitung vom 10. Juni 2016, S. 18 / Foto: Privat

2016-06-10,