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Austausch mit Bromley und Bruton

Aus der Jubiläumsschrift 1999

Das TGG hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen vielen Auslandskontakten in der Region einen Namen gemacht. Nach der Öffnung nach Osten sind so viele Aktivitäten daraus geworden, dass mittlerweile eine Konzeption durch den zuständigen Koordinator in der Schulleitung erarbeitet werden musste, um ein Gleichgewicht zwischen den Austauschbesuchen und der täglichen Schularbeit herzustellen.

Allgemein kann gesagt werden, dass sich mit Beginn der Siebziger Jahre viele Schulen, insbesondere Gymnasien, um Auslandskontakte bemühten, um ihren Sprachunterricht zu vertiefen. Bei einem Blick in die Fremdsprachenlehrbücher wird diese Tendenz deutlich, denn es befassen sich eine ganze Reihe von Lerneinheiten mit solchen Partnerschaften. Diese Bemühungen wurden damals mehr oder weniger stark von den Behörden und staatlichen Organisationen gefördert.

Im Folgenden soll ein Überblick über die Entwicklung und die Bedeutung der verschiedenen Auslandskontakte gegeben werden.

Bruton

Die ersten Kontakte des TGG liegen weit vor dem genannten Zeitraum und reichen bereits über 45 Jahre zurück. Als in England noch starke anti-deutsche Ressentiments in der Öffentlichkeit zu spüren waren, hatte die damalige Leiterin der Teletta-Groß-Schule, Frau Hilde Meyer, die Möglichkeit, im Mai 1945 in das Land der damaligen Besatzungstruppen zu reisen. Aus diesen Kontakten erwuchs dann die erste Schulpartnerschaft, zu der Frau Meyer selbst in einem Bericht zum dreißigjährigen Jubiläum schreibt:

„In der Geschichte des Teletta-Groß-Gymnasiums Leer (Ostfriesland) nimmt die Schülerpartnerschaft mit der Bruton School for Girls Sunny Hill einen hervorragenden Platz ein. Es ist kaum hoch genug zu bewerten, welchen Gewinn die Schülerinnen, die an dem Austausch teilnahmen, in der Begegnung mit einem anderen Land, seinen Menschen, seiner Kultur und Geschichte und in der Konfrontation mit Gegenwartsproblemen fanden.“

Sie berichtet weiter, dass sie zusammen mit drei anderen Schulleiterinnen auf Einladung der Association of English Headmistresses das englische Schulwesen im Süden der Insel kennen lernen durfte. Dabei kamen sie und die Leiterin der Schule in Bruton, Miss Wells, sich schnell näher. Frau Meier wurde sogar aufgefordert, über die Sorgen und Nöte ihrer Schule zu berichten. Ihre Worte hinterließen einen so starken Eindruck, dass ab 1951 mit Spenden aus England die ersten beiden Klassenräume im nur notdürftig möblierten Mädchengymnasium eingerichtet werden konnten. Außerdem wurde der Bestand der Schülerbücherei mit vielen englischsprachigen Büchern erheblich ergänzt. Als dann im Jahre 1952 die 1948 ausgefallene Hundertjahrfeier der Schule nachgeholt wurde, war auch eine englische Delegation mit der neuen Direktorin Miss Chappell an der Spitze zu Gast. Aus diesem ersten Aufenthalt von drei Wochen entstand ein (fast) jährlicher Austauschkontakt, der bis heute besteht. Dazu schreibt Frau Meier im gleichen Bericht:

„Zu unserer Freude folgten Miss Chappell und 16 englische Schülerinnen unserer Einladung und waren vom 21.8.-10.9. Gäste des Kollegiums und der Eltern unserer Schülerinnen. Dieser Besuch war Beginn des 30-jährigen Schüleraustausches zwischen Bruton und Leer. Hier möchte ich anmerken, dass bis dahin, das heißt bis 1952, Deutsch an der Sunny Hill Girls School nicht unterrichtet wurde und dass zwar einige Lehrkräfte Deutsch verstanden, aber, soviel ich mich erinnere, keine Schülerin. Es war von Miss Chappell, die selber nicht Deutsch sprach, ein tapferes Unternehmen, sich der neuen Aufgabe des Schüleraustausches mit einer deutschen Schule zu widmen.

Die Einsicht in die Notwendigkeit einer Verständigung zwischen den Völkern und der damit gegebene Einsatz für den Frieden nach den schlimmen Erfahrungen des letzten Krieges bestimmten sie in ihrem Tun. Miss Chappell erkannte, dass dazu unbedingt das Erlernen der fremden Sprache gehöre. Sie schreibt dazu in einem Bericht über ihren ersten Besuch in Deutschland:

,So l went back after our first visit in 1951 to develop German in (the) Sunny Hill.‘ Sie gewann in Mrs. M. Robinson eine tüchtige Deutschlehrkraft, und an der Schule wurden in der Folgezeit Arbeitsgemeinschaften in Deutsch angeboten, zunächst von einer kleinen Gruppe besucht. Später wurde dann Deutsch als Wahlsprache in den Stundenplan aufgenommen. Das Angebot wurde im Laufe der Jahre von immer mehr Schülerinnen genutzt. Deutsch wurde sogar für einzelne Schülerinnen der Sunny Hill School Studienfach.“

Etwas weiter unten führt Frau Meyer über die Zielsetzung des Austausches weiter aus:

„Schwerpunkte des Austausches waren und blieben bis zur Gegenwart:

  1. der Aufenthalt in den Familien, die nahen Beziehungen von Mensch zu Mensch;
  2. die Teilnahme am Unterricht und am Gemeinschaftsleben der Schule im Alltag und an festlichen Tagen;
  3. für die Deutschen das Leben in einer englischen Internatsschule, für die Engländer die Teilnahme an den Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalten mit den deutschen Schülerinnen.“

Übersicht über unternommene Fahrten und Veranstaltungen:

„21.8.-10.9.1952

Besuch der Direktorin der Sunny Hill Girls‘ School Bruton, Miss Chappell, und 16 Schülerinnen. Sie nehmen an der Jahrhundertfeier der Oberschule für Mädchen in Leer teil. Fahrten in den Teutoburger Wald, nach Emden und Norderney. Führung: Frau Meyerhoff, Frau Dr. Diekmann.

8.1.-1.5.1953

Erster Gegenbesuch von 18 Schülerinnen aus Leer in Bruton, Leitung: Herr Eissing, Frau Dr. Bungenstab. Fahrten in die nähere Umgebung Brutons, nach Bristol, Bath Sherborne, Wells, Longleat, Stonehenge, Salisbury, Wilton House.

1954, im August

28 Schülerinnen und 2 Lehrkräfte aus Bruton sind Gäste in Leer. Fahrten an den Rhein und an die Mosel sowie verschiedene Fahrten durch Ostfriesland.“

Mittlerweile unterrichten schon seit einiger Zeit Lehrerinnen an unserer Schule, die Bruton als Austauschschülerinnen kennen gelernt haben.

Der kleine Ort Bruton befindet sich in Somerset, ca. 30 Meilen südlich von Bath und 40 Meilen westlich von Salisbury. Sunny Hill ist eine von vielen kleineren englischen Privatschulen, deren Schülerinnen und Schüler z. T. als „day pupils" aus den umliegenden Ortschaften stammen oder als „boarders" in einem angeschlossenen Internat wohnen und aus ganz England bzw. Übersee kommen. Wie oben berichtet, wurde aufgrund der neuen Verbindung Deutsch zuerst in Arbeitsgemeinschaften und später als Wahlsprache angeboten. Bis heute hängt die Akzeptanz der Fremdsprache bei den Schülerinnen stark vom Engagement der anbietenden Lehrkraft ab, und die Fahrten zur deutschen Partnerschule stehen traditionell in hartem Wettbewerb mit anderen attraktiven Fahrten bis hin nach Hong-Kong. Ein weiteres Problem ist der Zeitpunkt der Fahrt. Da Niedersachsen häufig früh mit den Sommerferien beginnt und in Bruton die „großen" Ferien traditionell nicht vor Mitte Juli anfangen, fällt der Austausch oft in unsere Sommerferien. So muss man den Kolleginnen Raupach und Garrels, die seit vielen Jahren die Kontakte gepflegt haben, danken, dass sie immer einen Teil der Sommerferien aufgewendet haben, um den Austausch zu betreuen.

Natürlich leben auch nicht alle Gasteltern vor Ort, so dass auch in dieser Hinsicht dieses kein ganz „normaler" Austausch sein kann. Die Nachfrage nach Austauschplätzen auf deutscher Seite war allerdings immer viel größer als auf der Gegenseite. Momentan bemühen wir uns, den Kontakt nach Bruton nicht ganz abreißen zu lassen. Es sind Gruppenaustausche für die Folgejahre geplant. Zwischenzeitlich sollen durch Briefpartnerschaften schon in den 7. und 8. Klassen Verbindungen aufgebaut werde.

Bromley

Nicht zuletzt der … Frankreichaustausch für Mädchen und Jungen machte das Fehlen eines Englandkontaktes für die Jungen, die nach der Einführung der Koedukation an unsere Schule kamen, immer offensichtlicher. So erlebten meine Frau und ich [Jörg Kenter], seit wir im Frühjahr 1973 die Schule besuchten, immer häufiger, dass sich die Jungen über eine fehlende Partnerschule für sie beklagten, wenn Frau Garrels den neuen Austauschtermin mit Bruton für die Mädchen in den Mittelstufenklassen bekannt gab. Nachdem ich die Fachgruppenleitung Englisch übernommen hatte, verstärkten wir unsere Bemühungen, eine weitere Partnerschule zu finden. So machten wir es uns zur Gewohnheit, bei jedem Englandbesuch bei Freunden oder bei Klassen- und Kursfahrten mehrere vorbereitete Briefe dabei zu haben, in denen unsere Schule vorgestellt wurde, auf die Attraktionen der Stadt und Region hingewiesen wurde und das starke Interesse an einem Schulaustausch herausgestellt wurde. Wir ließen die Briefe durch unsere Kontaktpersonen weiterreichen bzw. warfen sie selbst bei den Schulen ein, an denen wir vorbeikamen. Außerdem gaben wir der damals bei uns jährlich einmal auftretenden irischen Theatergruppe aus Dublin Informationsunterlagen mit.

Natürlich bezogen wir auch die Medien mit ein und veröffentlichten Anzeigen in englischen Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Alles schien erfolglos, denn wir konnten offensichtlich keine Weinberge oder Burgen, Schlösser oder Alpendörfer in unserer Region bieten. Als ich dann allerdings zusammen mit Mitgliedern des Akkordeon Orchesters Leer Kontakte zu der Stadt Trowbridge wieder belebte und eine Städtepartnerschaft initiierte, glaubten wir mit der dortigen Clarendon School, die als comprehensive school sogar Deutsch auf dem Lehrplan hatte, einen neuen Partner gefunden zu haben. Aber wenige Wochen bevor wir unser Interesse bekunden konnten, hatte sich die dortige Schulleitung entschlossen, eine offizielle Partnerschaft mit einer Koblenzer Schule einzugehen.

Am Ende hatten wir dann aber doch Erfolg. Uns war die Idee gekommen, die internationalen Kontakte unserer Lehrerorganisation nach England zu nutzen. Im Herbst 1987 gelang es mir, Verbindungen zur englischen Lehrergewerkschaft NAS/UWT herzustellen und eine Anzeige in ihrer Mitgliedszeitung unterzubringen. Das Ergebnis war überraschend positiv: Mich erreichten drei Antworten, eine aus Yorkshire, eine zweite aus Manchester und die dritte aus Bromley/Kent, d. h. in unmittelbarer Nähe von London. Wir entschieden uns für den letztgenannten Ort. Es sollte aber noch eine Weile dauern, bis wir die ersten englischen Gäste in Leer begrüßen konnten. Auf einer Kursfahrt statteten wir der Ravens Wood School for Boys einen ersten Besuch ab und lernten Eileen Reif, die auf meine Zuschrift reagiert halte, persönlich kennen. So machten sich dann also die ersten „boys" aus Bromley im Herbst 1989 auf den Weg nach Leer. Mittlerweile haben wir gute Verkehrsverbindungen ausgetüftelt, die uns innerhalb eines Tages von Leer nach Bromley bringen. Da – anders als bei uns – in England möglichst wenig Unterricht für den Austausch ausfallen darf, hat sich der Rhythmus eines Hin- und Rückaustausches im gleichen Jahr eingespielt: unsere Gruppe fährt für ca. 9 Tage direkt nach den Osterferien nach Südengland, und die Partner kommen im Oktober nach Leer, wenn die Schule ihre „half-term" Ferien hat. Befürchtungen, den Jungen sei die Kleinstadt Leer zu langweilig, haben sich nicht bestätigt; es ist eher das Gegenteil zu beobachten: die großstädtischen Engländer genießen die ländliche Atmosphäre in und um Leer und sind besonders von der Gastfreundschaft der ostfriesischen Eltern angetan. Andererseits genießen es unsere Jungen, so dicht an der Weltstadt London zu wohnen. Inzwischen wird der Austausch von einer neuen Lehrergruppe betreut und läuft sehr erfolgreich weiter, so dass bis zu 28(!) Partner ausgetauscht werden konnten. Ähnlich wie beim Maza-met-Austausch sind Familienkontakte entstanden, und es finden gegenseitige Urlaubsbegegnungen statt. Die Kontakte haben sich ebenfalls positiv auf das Resultate der Abschlussprüfungen an der Ravens Wood School ausgewirkt, eine Tatsache, die in England besonders wichtig ist.

Die Eindrücke sind so positiv, dass das Angebot einer ehemaligen Schülerin Anfang der Neunziger Jahre, eine Partnerschaft mit dem amerikanischen Kansas aufzubauen eher zurückhaltend aufgenommen wurde.

Der Kostenaspekt spielte neben den dargestellten Überlegungen eine entscheidende Rolle. Der Englandaufenthalt kostet für die Teilnehmer nicht einmal 200 DM und kann so problemlos von allen Eltern finanziert werden.

Jörg Kenter

Berichte

2005-04-27,